Demenzbetreuung im Pflegeheim

In vielen Fällen macht die Betreuung von Menschen, die an einer Demenzerkrankung leiden in einer stationären Pflegeeinrichtung mehr Sinn als die Betreuung zuhause. Wir haben mit der Pflegedienstleitung, Petra Juracek, MBA, über dieses Thema gesprochen. Die Expertin im Pflegebereich hat langjährige Erfahrung mit Menschen mit Demenz und kennt ihre Bedürfnisse. Bekommen Sie in diesem Beitrag spannende Einblicke ins Thema Demenz und Pflege.

Demenzbetreuung im Pflegeheim durch fachkundiges Personal

„Wir bemühen uns immer, mit den Angehörigen so in Kontakt zu sein, dass alle Beteiligten am gleichen Wissensstand sind“, erklärt Petra Juracek. Auch, um diese in der Kommunikation mit dementen Menschen zu schulen. Angehörige sind häufig mit vielen Fragen konfrontiert. Die Mutter ruft stündlich an, wann das Mittagessen kommt, oder hat Probleme, weil die Fernbedienung nicht funktioniert. Hier stoßen Angehörige oft an ihre Grenzen.

Von Wut bis Trauer bei dementen Menschen

Wenn sie kognitiv beeinträchtigt sind, sind Bewohner:innen entweder traurig, weil sie mitbekommen, dass sie Defizite haben. Oder zornig, weil sie etwas nicht mehr wissen oder können. Das gilt es zu berücksichtigen.

Je nach Persönlichkeitstyp arbeite man in der Demenzbetreuung im Pflegebereich Traiskirchen mit Kalender oder mit einem persönlichen Heft der Bewohnerin, des Bewohners. Dort sind Dinge notiert, die für die Bewohnerin bzw. den Bewohner wichtig sind. So finden sich manche Demenzerkrankte besser im Alltag zurecht.

Neben einfühlsamer Betreuung und Pflege brauche es aber auch gute Neurolog:innen und Psychiater:innen die auch ins Haus kommen. Gerade in der Eingewöhnung brauche man Expert:innen, die in dieser belastenden Situation unterstützen. So kann der Stress, den ein Umzug in eine ungewohnte Umgebung mit sich bringt besser bewältigt werden.

Sonst kommt es zu einem Teufelskreis: „Wenn ich mich nicht auskenne, bin ich gestresst. Deshalb bekomme ich Angst und wenn ich Angst habe, kann ich nicht schlafen“, weiß die Expertin. Man achte im Seniorenzentrum auch darauf, dass alle Bewohner:innen einen guten Tag-Nacht-Rhythmus haben. Sodass sie tagsüber fit sind.

Jedoch können sie so lange schlafen, wie sie wollen. Dabei nennt Frau Juracek ein Beispiel einer Dame, die gerne bis 22 Uhr fernsieht und aber auch gerne bis 10 Uhr morgens ihre Ruhe hat. Angefangen von den Frühstückspräferenzen über die Tagesgewohnheiten bis hin zu den Ängsten: Petra Juracek weiß darüber Bescheid. Ihr ist wichtig, dass auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen wird.

Demenzbetreuung im Pflegeheim: Verhaltensweisen

Häufig geäußerte Sätze, die Frau Juracek bei der Demenzbetreuung im Pflegeheim hört, sind: Wo bin ich da? Ich will heim. Außerdem erwähnt sie die ärztliche Diagnose „Sundowner“. Konkret bedeutet dies: Wenn es finster wird, werden die Bewohner:innen unruhiger und nervös. Untertags sind sie „auswärts“ und am Abend wollen sie „nachhause“. Sie merken sich nicht, dass das Seniorenzentrum ihr zu Hause ist.

Wichtig ist, dass die Bewohner:innen sich viel bewegen können, wenn sie das Bedürfnis dazu haben. Deshalb ist der Wohnbereich für Menschen mit Demenz räumlich so konzipiert, dass die Bewohner:innen Runden im Erdgeschoss gehen können. Der Bewegungsdrang kann hier unabhängig vom Wetter draußen ausgelebt werden. Das ist sehr wichtig, damit die Bewohner:innen zur Ruhe kommen können.

Die Expertin nennt weitere typische Aussagen dementer Menschen:

  • Ich möchte zu meiner Mutter/meinem Vater.
  • Meine Kinder sind klein und unbeaufsichtigt.
  • Ich muss für sie einkaufen.

Was man hierbei auf keinen Fall machen darf, ist dies zu verneinen und sagen: „Deine Mutter lebt schon lange nicht mehr.“ Sondern validierende Gesprächsformen anwenden und sagen: „Wann hast du deine Mutter das letzte Mal gesehen?“ „Musste die Mama viel arbeiten?“

Dann beruhigen sich die Menschen. Nochmal betont die Expertin: „Man darf niemals verneinen.“ Vielmehr soll man auf emotionaler Basis kommunizieren und in die Schuhe des Gegenübers schlüpfen. Man muss sie ernst nehmen und darf sie nicht anlügen. Fühlen sie sich ernst genommen, dann beruhigen sie sich und es geht ihnen wieder besser.

Demenzbetreuung im Pflegeheim und Vergangenheitsbewältigung

Hausleitung Manuela Würcher, erwähnt, dass es zum Beispiel eine Bewohnerin mit einer Stoffpuppe gibt oder eine mit einem Kinderwagen. Manchmal kommen Traumata aus der Vergangenheit hervor. Beispielsweise, wenn eine Frau ihr Kind bei der Geburt verloren hat. Durch die Puppe und den Kinderwagen kann diese Erinnerung aufgearbeitet werden.

Die Lebensgeschichte ist sehr wichtig. Oftmals wissen Angehörige nicht genau über alles vergangene Bescheid. Dennoch ist es gerade für die Betreuung von dementen Menschen wichtig, über ihre Vergangenheit Bescheid zu wissen. Etwa zu wissen, welche Situationen oder Dinge Negatives auslösen können. Frau Juracek meint: „Es bringt nichts, wenn ich jemanden Lavendelduft hinstelle, wenn diese Person keinen Lavendel mag.“

Fragen, die gestellt werden:

  • Was trinkt ihr/e Angehörige/r gerne?
  • Welche Getränke mag sie/er?
  • Was sind die Rituale?

Viele würden nur noch wenig essen. Hier gilt vielmehr die Frage: Was wirkt dennoch appetitanregend? „Das zeichnet uns auch hier aus, dass wir auf die individuellen Gewohnheiten Rücksicht nehmen. Wir betrachten jeden betreuten Menschen individuell“, betont die Pflegedienstleitung.

Sie weiß, dass die Bewohner:innen es gewohnt sind um 16:45 Uhr zu Abend zu essen. Dies sei ihnen sehr wichtig. „Wehe, ich verändere die Uhrzeit etwa auf 17:00 Uhr“, scherzt die Expertin.

Angst und Demenzbetreuung im Pflegeheim

Wichtig ist, bei dementen Menschen Rituale zu berücksichtigen. Und diese auch umzusetzen. Im Demenzbereich gebe es vorwiegend Doppelzimmer. Denn Menschen, die kognitiv beeinträchtigt sind, haben oft auch Angst. Sie sind immer auf der Suche und brauchen ein Sicherheitsgefühl.

Demente Menschen brauchen jemanden neben sich, egal ob sie die/den kennen oder nicht. Schon allein das Gefühl, dass jemand da ist, gebe Sicherheit und Geborgenheit. Dementsprechend können sie so auch besser schlafen. Wenn sie allein sind, schauen sie vor die Tür. Sie brauchen Gemeinschaft und, dass sie so sein können, wie sie sind, weiß Frau Juracek.

So würde es etwa nicht funktionieren, dass ein demenzkranker Mensch im oberen Wohnbereich wohnt. Unter den Bewohner:innen dort, die Großteils geistig fit sind, könnte er nicht so sein, wie er ist. Etwa, dass er unbeabsichtigt 5-mal das Gleiche fragt, nicht in sein Zimmer oder zur Toilette findet. Wenn andere mit Unverständnis reagieren, fühlen sich Demenzerkrankte gestresst.

Im unteren Wohnbereich sei das anders. Dort würde niemand sagen: „Das hast du mich schon gefragt“. Weil es niemand weiß. Unten herrscht eine unglaubliche Ruhe. Jeder kann wandern, jeder kann gehen und so sein, wie er ist.

Auch, wenn sich demente Personen häufig nicht mehr verbal ausdrücken können. Man merkt an ihrem Verhalten, ob sie beispielsweise suchend sind. Alles basiert auf Fremdbeobachtung. Daher braucht es auch eine spezielle Schulung der Mitarbeiter:innen.

Schwerpunkt Validation bei Demenz

Im Demenzbereich liegt der Schwerpunkt auf der Validation, der Fremdbeobachtung oder Fremdscheinschätzung. Oftmals gibt es Wortfindungsstörungen oder die Bewohner:innen können nicht mehr sprechen. Dann muss man mit Berührung arbeiten. Dem Menschen erklären und zeigen: Was wollen wir jetzt.

Würde man etwa ohne weiteres auf die Toilette fahren, würde der demente Mensch erschrecken. Vielmehr soll man die Hand halten, streicheln, Augenkontakt herstellen. Damit einen diese Person wahrnimmt. Dann klopft man zum Beispiel beim Umsetzen auf den anderen Sessel. So kann sie/er auch verstehen, was jetzt kommt.

Auch beim Essen etwa: Gabel zum Mund führen. Initial ein Zeichen setzen, damit verstanden wird, worum es jetzt geht. Bezugspflege sei ebenfalls wichtig. Insofern, als sich immer die gleichen Mitarbeiter:innen um die Bewohner:innen einer Wohngruppe kümmern. Sie haben dann auch das Wissen über die einzelnen Personen und deren Verhalten und können gezielt darauf eingehen.

Was spricht für Demenzbetreuung im Pflegeheim?

„Ich bin der Meinung, dass man einen hochgradig dementen Menschen allein zu Hause nicht pflegen kann. Weil man selbst keine Ruhephase hat“, erklärt Petra Juracek. Demenzerkrankte Personen brauchen ein geschultes Umfeld und auch Menschen um sich. Menschen werden gestresst, wenn sie merken, dass die anderen auch gestresst sind.

„Wenn man zu Hause ein Umfeld hat, das sich abwechselt, wo immer jemand da sein kann. Dann ist die 24-Stunden-Betreuung das Beste. Jedoch muss dann immer wer da sein und sich mit dem Menschen beschäftigen“, weiß die Pflegeexpertin. „Und im Umgang mit dementen Menschen geschult sein. Das ist leider selten der Fall.“

Im Pflegeheim haben sie mehr Gesellschaft und kommen mehr zur Ruhe. Und die Angehörigen auch. Denn, wenn man ausgeruht jemanden besucht, ist das besser, als wenn man permanent mit der Situation belastet ist. Man darf auch die emotionale Komponente nicht vergessen. Als Expert:in nehme man etwas nicht persönlich und beantworte Fragen gerne 10 Mal. Wir sind emotional nicht so involviert, da es sich nicht um Angehörige handelt. Was man auch nicht unterschätzen dürfe: „Es sind nicht alle dementen Menschen nett. Es gibt auch Phasen in der Erkrankung, in denen sie wirklich ablehnend sind. Verbal oder körperlich. Wenn man da emotional involviert ist, ist eine derartige Situation noch herausfordernder und oft schwer zu ertragen“, erläutert Frau Juracek.

Verlauf der Demenz

Am Anfang der Demenz zeigen sich unterschiedlich Reaktionen. Da würden die Betroffenen noch mitbekommen, wie sie sich verändern. Die einen werden traurig, die anderen aggressiv. Ein Verlauf ist immer unterschiedlich. Dennoch kann es schnell gehen.

Außerdem gibt es auch Menschen, die das sehr lange verheimlichen können. Indem sie etwa das Haus nicht mehr verlassen, sich das Essen liefern lassen. Oder ihre Kinder einfach nicht mehr in die Wohnung lassen.

„Die Stadien der Demenz laufen nicht geradlinig. Manche dauern länger, manche kürzer, manche werden übersprungen. Es ist einfach ein stetiger Prozess des Vergessens, bis sie dann irgendwann nicht mehr wissen wie schlucken und essen geht“, weiß Frau Juracek. „Unser Team hat hier viel Erfahrung und wir können auf die Bedürfnisse in jeder Phase eingehen. Unser Ziel ist es, die Menschen in dieser schwierigen Situation so gut wie möglich zu begleiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, die bis zuletzt eine bestmögliche Lebensqualität erlauben.“ Das tun wir immer in Kooperation mit den Angehörigen und die Ergebnisse unserer Arbeit geben uns recht.

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